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EUROPA - NICHT EUDSSR: DAS GEDICHT

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Europa
Von Karls Vollmöller


Ein Gedicht, dass heute geschrieben werden müsste, wenn es dieses Werk nicht schon gäbe! Lyrikheute versuchte die Annährung an die unglaubliche Persönlichkeit des Autors.

Aber: Wenn es nach einem Vollmöller-Kenner geht, sollten AfD-Mitglieder den Autor nicht lesen dürfen. Aus der Mail eines Vollmöller-Kenners, den ich bei meinen Recherchen um Rat bat, und der mir zunächst viele wichtige Infos zugänglich machte....  


Bedauerlicherweise habe ich erst bei der Durchsicht des Gedicht-Beitrags erkannt, dass Sie aktives Mitglied der AfD sind. Da diese Partei für mich rechtspopulistisch ist, mit einer vorsichtig ausgedrückt "nationalkonservativen Grundhaltung", empfinde ich Vollmoeller und sein Gedicht von den falschen Leuten vereinnahmt. Es wäre mir daher angenehmer, Sie würden nicht nur meine Textzitate - für die ich Sie ausdrücklich nicht autorisiert habe - umgehend entfernen, sondern besser gleich das Gedicht Vollmoellers auch..


Ja: Das ist ein Geist der Zensur und Intoleranz der sogar ein  geistiges Erbe totschweigt. Deutsche Germanisten....mal wieder an der "Spitze der Bewegung".


Natürlich gibt es jetzt ERST RECHT hier das Europagedicht, das wir nicht lesen sollen. Für Lyrikheute ein "Top 100" - ein "absolut"-Gedicht! 


Alle wichtigen Infos danach...

EUROPA
Von Karl Vollmöller
* 1887 Stuttgart   + Los Angeles 1948

I.

O Mütterchen Europa - schmaler Ast,
Dem Urbaum Asien suchend vorgebogen,
Gekrümmt wie unter allzuschwerer Last,

Von Räude, Schorf und Fäulnis überzogen,
Tief ausgehöhlt von bohrend finstern Kräften,
Verdürrt, vermorscht, entblättert, totgeglaubt -

Dann plötzlich wieder neu und vollgesogen
Von Süßigkeit und uralt heiligen Säften -
Und eines Morgens frisch grün und belaubt...

II.


Vom Osten kam die Welle, Stoß auf Stoß:
Wie schien das Südmeer fern, das Westmeer groß -
Um Horde hinter Horde, Stamm nach Stamm,
Da galt kein Widerstand, da hielt kein Damm ...

Der Vorderste schöpft raubend aus dem Vollen,
Bis ihn die neuen Wogen überrollen.
Die schon auf Höfen und in Dörfern saßen,
Sind morgen weggeschwemmt von neuen Massen.

Sie wußten längst nicht mehr woher sie kamen,

Doch in der Ferne lockten Zaubenamen:
Der Rhein, Verona und das ewige Rom...
Von hinten preßt der ungeheure Strom

Von immer lautern imrner wilderen Scharen,
Beute-berauschter prahlender Barbaren
Mit dumpfen Hirnen, ungelenken Leibern -
Bald untertan den unterworfenen Weibern.

Könige kommen, Königreiche schwinden:
Wandrung der Blinden, angeführt von Blinden.
Sie müssen kämpfen und sie müssen wandern,
Wo grad kein Feind, schlägt einer auf den andern,

Wo nichts zu plündern und kein Raub zur Hand,

Steckt einer rasch des Freundes Haus in Brand,
Und wo es brennt sind tausend fleißige Schürer -
Held meuchelt Held und Führer mordet Führer.

III.

Jahrhunderte vergehn wie Tag und Nacht:
Viel ist getan und wenig ist vollbracht.
Längst hingewürgt die Edelsten und Besten -
Dann baut die Welt sich neu aus kargen Resten:

Die Schwachen die am Wege liegen blieben,
Die Feigen die sich beugten vor dem Sturm,
Die klug ihr Vieh in tiefe Wälder trieben,
Sie festigen jetzt die Stadt mit Wall und Turm.

Die scheu Versprengten sammeln sich zum Werke,
Landstreicher werden Bürger hinter Mauern,
Schweifende Plünderer zu zähen Bauern,
Denn jede Schwäche baut sich ihre Stärke:

Die Häuser schmal, die Gassen winklig enge,
Mensch, Haus und Tier in kleinsten Raum gekreist,
Doch in gepreßter Enge schärft sich Geist
Und über dem demütigen Gedränge

Von Tor und Zinnen, die die Stadt behüten,
Und spitzer Dächer steigt zum ersten Male,
Ein Traum ekstatisch hoch getriebner Blüten,
Vergeistigtes Gestein der Kathedrale -

Schwingt himmelwärts der ersten Orgel Ton,
Auf immer steileren und zartern Leitern
Der Schwere aller Erdenhaft entflohn
Zu Sphären die sich blauer blau erweitern...

Tief unten aber wirken fromme Täter,
Trotz Kriegsgelärm im dürftigen Gemach
Glüht Fleiß der Klöster, Inbrunst aller Beter
Von Palestrina bis Sebastian Bach.

IV.

Jahrhunderte vergehn wie Nacht und Tag:
Frucht trug allein was schwach am Boden lag.
Fruchtlos zerfiel die aufgeblähte Größe,
Schlachtruf und gellende Posaunenstöße

Kriegender Fürsten, Herzöge und Grafen,
Die bald auf ihren Marmorsärgen schlafen -
Noch hat einfältige Kunst ihr Bild gerettet,
Du aber hast zutiefst sie eingebettet,

O Mütterchen, in des Vergessens Schoß...
Schon reifen süße Früchte aus den bittern,
Schon ward das Große klein, das Kleine groß,
Schon spannt sich zwischen seltneren Gewittern

Ein trügerisch farbenreicher Friedensbogen...
Brände erlöschen, Waffen ruhen länger...
Da - Jugend, leicht verführt und rasch betrogen,
Folgt blind der Pfeife neuer Rattenfänger,

Was Not in tausend Jahren streng gezüchtet,
Ist wie ein Hauch an einem Tag verflüchtet:
Mit jeder Jugend in den Wechseljahren
Beginnt ein neuer Einbruch der Barbaren,

Wenn erst der Lehrer Trägheit stumpf vergessen,
Wie dünn die Lehre und wie schwach besessen...

Kein Land ist heil. Denn Mensch bleibt dort wie hier
Unheilbar unverbesserliches Tier.

Was wenige bauten, stürzt vor blinden Massen -
Gib ihnen Haß: ihr Herz begehrt zu hassen.
Gib ihnen Gift: sie nähren sich von Giften,
Stürzen die Tempel und verbrennen Schriften...

Was fromm beschränkt der sächsische Mönch erfunden,
Als Freiheitstat in Wittenberg begonnen,
Zerbrach das Reich der segnenden Madonnen,
Schlägt, Mütterchen, dir heut noch tiefste Wunden:



Die Midgard-Schlange ringelt sich im Norden
Und speit noch einmal Dreißig Jahre Morden. . .
Verzerrt das Kreuz... es reitet der obszöne
Modrige Spuk der neuen Wotan-Söhne...

Die Menge drängt und blökt wie zahme Rinder,
Das neue Schlachthaus dampft und stinkt von Blut,
Der Götze Staat verschlingt die eigne Brut,
Der neue Moloch frißt die eignen Kinder...

Die Städte brennen. Es verbrennt die hehre
Kirche der reinen Schrift und wahren Tat,
Märtyrer faulen hinter Stacheldraht
Und ganze Völker flüchten über Meere...

V.

Und wieder kommt die Welle, Stoß auf Stoß -
Auf Ebenen die von Waffentrümmern rosten
Wälzt sich die ungeheure Flut von Osten
Aus Asiens Urmutter-Mutterschoß.

Reiche der Römer, Gothen, Mauren, Franken,
Seereiche der Normannen, Angelsachsen,
Schon weggedacht wie flüchtige Gedanken -
Geschehen rollt auf glühend heißen Achsen

Im ewigen Sonnenlauf von Ost nach West. . .
Den Brüdern, die im Wahnsinn sich bekriegten,
Bleibt nichts als Schutt und Hunger, Brand und Pest. -
Gedankenleer gleicht Sieger dem Besiegten.


Geist eng versperrt in stählernen Kolossen,
Nirgends ein Leuchten heilenden Verstandes.
Da nun das Land der Mitte so zerschossen,
Dämmert die Nacht des ganzen Abendlandes...

VI.

Dies war der Schlag, der dich im Herzen traf,
O Mütterchen, geschändet und verblutet,
Aufs neue tief von Asien überflutet,
Sinkst du in hundertjährigen schwarzen Schlaf,

In toten Wäldern mit verkohlten Bäumen,

Gelähmt und leichenstarr liegst du darnieder,
Doch die Besieger lauschen deinen Träumen,
Deine Erobrer lernen deine Lieder. . .


Bald schließen magisch sich Jahrhundert- Ringe,
Noch lebt ein Kern der ausgetilgten Schöne,
O Herz der Welt und Wiege aller Dinge,
Deine Erobrer werden deine Söhne.


BaId wächst die Ferne wieder nah und näher,
Aus Grüften steigt ein mystisch neuer Psalter -
fn einem bunt verworrenen Mittelalter
Machst du aus Asiaten Europäer.


Millionen, die geflohn nach fremden Küsten,
Helfen dir einst den neuen Morgen rüsten, -
Jahrtausendlang mit Schweiß und Blut gedüngt,
In Schmerz gealtert und in Lust verjüngt,


Baust neue Hütten du auf alten Mauern
Und auf den alten Gräbern neue Reben. . .
Was immer du den Kindern mitgegeben,
O Mütterchen, sie lernten überdauern,


O Mütterchen, sie lernten überleben.


*
Karl Vollmöller (Wiki) war Archäologe, Philologe, Lyriker, Dramatiker, Schriftsteller, Drehbuchautor, Übersetzer, Pionier des Automobilbaus, Flugzeugkonstrukteur, Pionier des Stumm- und Tonfilms, Unternehmer und Reformer des deutschen, europäischen und amerikanischen Theaters und zeitweise Politiker wider Willen...

Als ich das Europa-Gedicht vor zwei Jahren zum ersten Mal las, war ich sprachlos: Wer hat so etwas und wann geschrieben? Die Antwort wusste ******, jener Politaktivist, der einen deutschen Dichter lieber aus dem Bewusstsein der Leser verschwinden lässt, als dass die Falschen seine Botschaft hören.

Also was wissen wir über das Europagedicht von Karls Vollmöller? Es war eines der Altersgedichte. Diese entstanden in der zweiten Hälfte des Jahres 1942 im Stringtown Alien Internment Camp (ca. vier Meilen außerhalb des Ortes Stringtown, westlich des Highways 69). Die handgeschriebenen Manuskripte befinden sich ebenso wie die, im Laufe des Jahres 1943 in New York überarbeiteten, maschinengetippten Versionen, in Ruth Landshoffs Nachlass in Boston. 

Der historisch-biographische Hintergrund des Europagedichts von Karl (Gustav) Volmüller gehört zu jenen Kapiteln Deutscher Geschichte, über die bis heute lieber nicht gesprochen wird.

Vollmoellers Bemühen um einen breiten übernationalen Gedankenaustausch über die von ihm gegründete "Deutsche Gesellschaft 1914", die er trotz ihres einschränkenden Namens nach internen Kämpfen für Intellektuelle des Vielvölkerstaats Österreich-Ungarn öffnete; sein, gemeinsam mit Max Reinhardt, auch während des Krieges aufrechterhaltenes Kulturengagement, das zu zahlreichen Theater- und Filmvorführungen (Das Wunder) in Deutschland, Österreich-Ungarn und den neutralen Ländern wie Schweden und der Schweiz führte; seine verzweifelten Bemühungen, den Frieden sowohl regional (Südwest-Deutschland - Ost-Frankreich) als auch auf europäischer Ebene (speziell mit England) zu vermitteln, gehören als Vorstufen des Gedichts ebenso dazu, wie sein Engagement für die Pan-Europa Bewegung und seine erneuten "Friedensbemühungen" im Vorfeld des 2. Weltkriegs, als er, wie in der aufschlussreichen Korrespondenz zwischen Annette Kolb und Rene Schickele (derselbe, mit dem Vollmoeller 1918/19 Frieden zwischen Deutschland und Frankreich stiften wollte) nachzulesen ist, sich gegen die gefährliche Politik von Teilen der französischen Politiker gegenüber Hitler stemmte, wie Schickele an Kolb (enge Freundin Vollmoellers) schrieb: "Vollmöller spinnt ein Garn, an dem man ihn gelegentlich aufhängen könnte. Die Franzosen wollen ja gar nicht! Laval? 'Brian moins le poete' wie jemand sagte. Aber er will den Frieden, unbedingt den Frieden, und insofern, liebe Annette ..." (gemeint sind Aristide Briand und Pierre Laval).

Diese Bermerkungen erscheinen wichtig um zu begreifen, dass an manch gehässigen Bemerkungen über Vollmoeller und seine angebliche ideelle Unterstützung der Nazis - ein Vorwurf, der ihn ins Internierungslager brachte - nicht nur nichts dran ist, sondern er in der Tat im fernen Amerika einerseits vom grausamen Schicksal Europas entsetzt und geradezu physisch betroffen war; andererseits als Archäologe und Kosmopolit den Vorgang vor seiner historischen Dimension zu relativieren suchte, trotz seines, von Braver aufgezeigten Pessimismus, bereits vorsichtig optimistisch in eine Zukunft schaut, die erstaunlicherweise die vereinigten Staaten von Europa als Vision vorausahnt. Vollmoeller war von Jugend auf, als glühender Verehrer der griechischen-römischen Antike, ein überzeugter Europäer, wie allein seine lebenslangen Wohnsitze - Sorrent, Florenz, Venedig, Basel, New York, Hollywood, Berlin - ausweisen. Auch sein europaweiter, später weltweiter Freundes- und Bekanntenkreis weisen ihn als einen Europäer der ersten Stunde aus - lange bevor Adenauer und de Gaulle gezwungenermaßen daran gingen, auf die europäische Idee zu bauen.


Ich bin mir GANZ sicher: Vollmöller meinte jenes Europa, das auch ich liebe. Kein EUDSSR.



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