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DIE MARKIGSTEN DEUTSCHLAND-LIEDER und DEUTSCHLAND-GEDICHTE (bisher 8)

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50 Pfennig 1949.
 Heute wäre die Eiche als Symbol
 für einen deutschen Neuanfang 
bestimmt umstritten, nicht PC.

Verdrängt, vergessen oder tabu?

In der Lyrikszene heute ist Thema "Deutschland" (außer wenn es "hinterfragt" wird) tabu. Das gilt auch für so gut wie alles, was einmal das "Gute, Wahre und Schöne" genannt wurde. Alle Begriffe die von A.H. ideologisiert, usurpiert und missbraucht wurden. Man muss wohl diese verdrängten Wörter und Worte ins Bewusstsein heben, um damit wieder leben und umgehen zu können. 

Wilhelm (1786-1859 und
Jacob Grimm (1785-1863).

Oder, um es mit Jacob Grimm zu sagen:

"Deutsche geliebte landsleute, welches reichs, welches glaubens ihr seiet, tretet ein in die euch allen aufgethane halle eurer angestammten, uralten Sprache, lernet und heiliget sie und haltet an ihr, eure volkskraft und dauer hängt in ihr."
Jacob Grimm,
Berlin 2. merz 1854. Aus: Vorwort DAS DEUTSCHE WÖRTERBUCH


Deutschlandlied 8.
BUNDESZEICHEN
"Alle Vögel sind schon da" WER war's? Der gleiche Hoffmann von Fallersleben der auch das "Lied der Deutschen" schrieb: "Deutschland, Deutschland über alles...".
Nach "Napoleon" erlebt der junge Mann den Rückfall in Kleinstaaterei und die alte Adelsordnung, in Zensur und Fürstenwillkür. Das weckte ihn politisch auf.
Er macht trotzdem eine steile Karriere:1823 beruft die Universitätsbibliothek in Breslau. Schnell wird er ordentlicher Professor. 
Aber Gesinnungsdiktatur ist keine neue Erfahrung, die AfD-Protagonisten oder einfach nur freie Geister heute machen. Mit Augusts Karriere ist es 1840 vorbei. Der Grund: Seine Gedichtsammlung "Unpolitische Lieder" wo er die politischen und gesellschaftlichen Zustände in Deutschland kritisiert. Die preußische Regierung reagiert hart auf die "politisch anstößigen Grundsätze und Tendenzen" in den "Unpolitischen Liedern". Sie verbietet den Gedichtband, enthebt Hoffmann 1842 pensionslos seiner Professur und entzieht ihm im Folgejahr die preußische Staatsbürgerschaft. 
Mehr von/über HVF bei Deutschlandlied 5.

BUNDESZEICHEN
Von August Heinrich Hoffmann, bekannt als Hoffmann von Fallersleben (* 2. April 1798 in Fallersleben, Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg; † 19. Januar 1874 in Corvey) 

Frei und unerschütterlich
wachsen unsere Eichen
Mit dem Schmuck der grünen Blätter
stehn sie fest in Sturm und Wetter
wanken nicht noch weichen.

Wie die Eichen himmelan
trotz den Stürmen streben
wollen wir auch ihnen gleichen
frei und fest wie deutsche Eichen
unser Haupt erheben.

Darum sei der Eichenbaum
unser BUNDESZEICHEN
daß in Thaten und Gedanken
wir nicht schwanken oder wanken
niemals muthlos weichen.
"Pumpen ums Leben" Nach einem Gemälde von H.S. Tuke 1907. 


Deutschlandlied 7.
Deutsche Wiedergeburt
Das Gedicht von Walter Flex erschien in der Sammlung seiner Gedichte "Sonne und Schwert" 1915, also in einer Zeit, als nahezu alle Schriftsteller (einschl. Brecht und Rilke) im Kriegstaumel schrieben. Hier im Blog Das Volk in Eisen - 10. Kriegsgedicht.

Deutschlands Wiedergeburt:
Sonne und Schwert
Von Walter Flex
*06.07.1887 Eisenach, gefallen an der Ostfront
16.10.1917 bei Pöide/Estland.


Den tiefen Durst nach Leben
hat Gott uns eingegeben,
er liegt in allem deutschen Blut.
Des Weltengeistes Wehen
im tiefsten zu verstehen,
das achten wir als höchstes Gut.

Doch ach, man konnte wähnen,
das edle deutsche Sehnen,
das uns als Fernste lieben heißt,
sei uns in faulen Tagen
im Blute umgeschlagen
zu giftig schalem Affengeist.

Die Sehnsucht, weit zu streifen,
das Fernste zu ergreifen,
verdarb uns deutsche Art und Kunst.
Das Blendwerk fremder Laffen
schien uns von Gott geschaffen,
und war's auch eitel Rauch und Dunst.

Den deutschen Geist zu wecken
warf Gott den Völkerschrecken
des Weltbrands in das deutsche Haus
und rief: Treibt aus die Horden,
eh' sie zu Herr'n geworfen,
doch treibt sie aus den Herzen aus!

Den eignen Geist zu schüren,
ließ er uns kräftig spüren
den fremden Geist und Aftergeist.
Mag's noch so bitter schmecken,
das große deutsche Wecken
ist Schöpfertat, die jeder preist.

Beim heil'gen Klang der Waffen
hat Gott uns neu geschaffen.
Er will in deutscher Welt den Thron.
Uns ist ein Stolz geboren,
auf den sei eingeschworen
auf ewig Sohn und Enkelsohn!

Volk, du hast viel zu sühnen.
Nun weihe neu die Bühnen
des Lebens und der deutschen Kunst!
Du selbst nur kannst dich adeln.
Frag' nichts nach Lob und Tadeln
und achte fremde Gunst für Dunst!

Dem Freunde Treu' erweisen,
doch kalt wie Eis und Eisen
für fremden Mann und fremde Art –
so woll'n wir's fürder halten.
Gott mög' in Gnaden walten,
daß Deutschland solchen Hochmut wahrt!

Deutschlandlied 6.
Deutschlands Beruf
"Am deutschen Wesen mag die Welt genesen.." wird oft zitiert, aber kaum einer weiß, "wer hat's erfunden?". Emanuel Geibel schrieb es 1861. Er glaubte, er sei der größte l'art pour l'art Dichter seiner Zeit. Im letzten Vers steht "das mit dem deutschen Wesen".

Deutschlands Beruf.
Von Emanuel Geibel.
17. Oktober 1815 in Lübeck; † 6. April 1884 ebenda

Soll's denn ewig von Gewittern
Am umwölkten Himmel braun?
Soll denn stets der Boden zittern,
Drauf wir unsre Hütten baun?
Oder wollt ihr mit den Waffen
Endlich Rast und Frieden schaffen?

Daß die Welt nicht mehr, in Sorgen
Um ihr leichterschüttert Glück,
Täglich bebe vor dem Morgen,
Gebt ihr ihren Kern zurück!
Macht Europas Herz gesunden,
Und das Heil ist euch gefunden.

Einen Hort geht aufzurichten,
Einen Hort im deutschen Land!
Sucht zum Lenken und zum Schlichten
Eine schwerterprobte Hand,
Die den güldnen Apfel halte
Und des Reichs in Treuen walte.

Sein gefürstet Banner trage
Jeder Stamm, wie er's erkor,
Aber über alle rage
Stolzentfaltet eins empor,
Hoch, im Schmuck der Eichenreiser
Wall' es vor dem deutschen Kaiser.

Wenn die heil'ge Krone wieder
Eine hohe Scheitel schmückt,
Auf dem Haupt durch alle Glieder
Stark ein ein'ger Wille zückt,
Wird im Völkerrat vor allen
Deutscher Spruch aufs neu' erschallen.

Dann nicht mehr zum Weltgesetze
Wird die Laun' am Seinestrom,
Dann vergeblich seine Netze
Wirft der Fischer aus in Rom,
Länger nicht mit seinen Horden
Schreckt uns der Koloß im Norden.

Macht und Freiheit, Recht und Sitte,
Klarer Geist und scharfer Hieb
Zügeln dann aus starker Mitte
Jeder Selbstsucht wilden Trieb,
Und es mag am deutschen Wesen
Einmal noch die Welt genesen.


Deutschlandlied/Gedicht 5. 
Heimweh in Frankreich 
August Heinrich Hoffmann, der Dichter unserer Nationalhymne hat eine durchaus wechselhafte Karriere gemacht. Anders als Heine, liebt der Philologieprofessor die nationalen Töne. Auf einer Bildungsreise des Gelehrten entsteht „Heimweh in Frankreich“ – das er 1840 in der Sammlung „Unpolitische Lieder“ veröffentlicht. Erst 1841 schreibt er auf der Insel Helgoland das „Lied der Deutschen“ („Deutschland…über alles…“). Sein Werben für ein einheitliches Deutschland bekommt ihm schlecht. 1842 wird er auf Betreiben Preußens von seinem Lehramt in Breslau gefeuert (als Staatsgefährder) und aus Preußen ausgewiesen. Er teilt damit in mancher Hinsicht das Schicksal von Heinrich Heine – der wiederum (ganz anders als H.v.F.) den nationalen Überschwang der Deutschen oft ätzend kritisierte. So war es eben schon immer nicht ganz einfach in deutschen Landen nicht PC zu sein. 

Heimweh in Frankreich 
Von August Heinrich Hoffmann, bekannt als Hoffmann von Fallersleben (* 2. April 1798 in Fallersleben, Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg; † 19. Januar 1874 in Corvey) . 

Wie sehn‘ ich mich nach deinen Bergen wieder, 
Nach deinen Schatten, deinem Sonnenschein! 
Nach deutschen Herzen voller Sang und Lieder, 
Nach deutscher Freud‘ und Lust und Wein! 

Könnt ich den Wolken meine Hände reichen,

Ich flöge windesschnell zu dir hinein; 
Könnt ich dem Adler und dem Lichtstrahl gleichen, 
Wie ein Gedanke wollt ich bei dir sein! 

Die Fremde macht mich still und ernst und traurig;
Verkümmern muß mein frisches Junges Herz.
Das Leben hier, wie ist es bang und schaurig, 
Und was es beut, ist nur der Sehnsucht Schmerz. 

O Vaterland, und wenn ich nichts mehr habe, 

Begleitet treu noch diese Sehnsucht mich; 
Und würde selbst die Fremde mir zum Grabe, 
Gern sterb‘ ich, denn ich lebte nur für dich.


Deutschlandlied/Gedicht 3 und 4

Der deutsche Rhein
und 
Deutschland ein Wintermärchen


1840: Frankreich rüstet auf, kündigt die Verträge von 1815 (nach dem Sieg über Napoleon/Wiener Kongress) und der damalige französische Regierungschef Adolphe Thiers läßt Napoleons Asche von St. Helena nach Paris bringen und pompös im Pantheon beisetzen. Im Freiheitskampf gegen Napoleon hatten die Deutschen so etwas wie die Nationale Einheit der Herzen gewonnen. In verschiedenen Reden beanspruchte nun der französische Regierungschef den Rhein als französische Ostgrenze. Damit verursachte er einen Sturm der Entrüstung in den deutschen Ländern. Damals entstand Nikolaus Beckers "Rheinlied" (Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein).

Der deutsche Rhein
Nikolaus Becker * 8. Oktober 1809 in Bonn; † 28. August 1845 in Hünshoven.

Sie sollen ihn nicht haben
den freien deutschen Rhein,
ob sie wie gierige Raben
sich heiser danach schrein
So lang er ruhig wallend
sein grünes Kleid noch trägt
so lang ein Ruder schallend
In seine Woge schlägt

Sie sollen ihn nicht haben,
den freien deutschen Rhein,
so lang sich Herzen laben
an seinem Feuerwein
So lang in seinem Strome
noch fest die Felsen stehn,
so lang sich hohe Dome
in seinem Spiegel sehn

Sie sollen ihn nicht haben
Den freien deutschen Rhein
So lang dort kühne Knaben
Um schlanke Dirnen freien
So lang die Flossen hebet
Ein Fisch auf seinem Grund
So lang ein Lied noch lebet
In seiner Sänger Mund

Sie sollen ihn nicht haben
Den freien deutschen Rhein
Bis seine Flut begraben
Des letzten Manns Gebein.

Dieses Gedicht machte den Hilfsgerichtsschreiber Nikolaus Becker zu einem Helden der damaligen politisch korrekten Lyrikszene.

ZWEI DICHTER, ZWEI ARTEN DEUTSCHLAND ZU LIEBEN

Damals gab es noch einen Dichterwettstreit um, nennen wir sie, nationale Fragen. Heine vs Becker. Politisch völlig unkorrekt (und deshalb immer wieder verboten) waren die Gedichte von Heinrich Heine. Um den Anfeindungen und  der Zensur zu entkommen zog er 1831 nach Paris, Deutschland im Herzen:

In der Fremde
Heinrich Heine

Ich hatte einst ein schönes Vaterland.Der Eichenbaum
Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft.
Es war ein Traum.

Das küßte mich auf deutsch und sprach auf deutsch
(Man glaubt es kaum Wie gut es klang)
das Wort: „Ich liebe dich!“
Es war ein Traum.


1843 macht Heine noch einmal eine Reise in die deutsche Heimat. Seine poetisches Reisetagebuch ("Deutschland ein Wintermärchen") wurde zur bitteren und zugleich brillanten Auseinandersetzung mit dem Land dass ihn ausgegrenzt hatte. 

HEINES ANTWORT AUF NIKOLAUS BECKER


Im fünften Kapitel des Reisegedichts (Caput V) rechnet er auch mit dem Rheingedicht von Nikolaus Becker ab:  "Vater Rhein" zeigt sich bei Heine als knurriger alter Mann, des deutschtümelnden Geschwätzes dieses Nikolaus Beckers überdrüssig.


Deutschland ein Wintermärchen
CAPUT V (Kapitel 5)
Heinrich Heine (* 13. Dezember 1797 als Harry Heine in Düsseldorf,  † 17. Februar 1856 in Paris) 

Und als ich an die Rheinbrück' kam, 
Wohl an die Hafenschanze, 
Da sah ich fließen den Vater Rhein 
Im stillen Mondenglanze. 

»Sei mir gegrüßt, mein Vater Rhein,
Wie ist es dir ergangen? 
Ich habe oft an dich gedacht 
Mit Sehnsucht und Verlangen.« 

So sprach ich, da hört ich im Wasser tief
Gar seltsam grämliche Töne, 
Wie Hüsteln eines alten Manns, 
Ein Brümmeln und weiches Gestöhne: 

»Willkommen, mein Junge, das ist mir lieb,
Daß du mich nicht vergessen; 
Seit dreizehn Jahren sah ich dich nicht, 
Mir ging es schlecht unterdessen. 

Zu Biberich hab ich Steine verschluckt,
Wahrhaftig, sie schmeckten nicht lecker! 
Doch schwerer liegen im Magen mir 
Die Verse von Niklas Becker. 

Er hat mich besungen, als ob ich noch 
Die reinste Jungfer wäre, 
Die sich von niemand rauben läßt 
Das Kränzlein ihrer Ehre. 

Wenn ich es höre, das dumme Lied,
Dann möcht ich mir zerraufen 
Den weißen Bart, ich möchte fürwahr 
Mich in mir selbst ersaufen! 

Daß ich keine reine Jungfer bin,
Die Franzosen wissen es besser, 
Sie haben mit meinem Wasser so oft 
Vermischt ihr Siegergewässer.
 
Das dumme Lied und der dumme Kerl! 
Er hat mich schmählich blamieret, 
Gewissermaßen hat er mich auch 
Politisch kompromittieret. 

Denn kehren jetzt die Franzosen zurück,
So muß ich vor ihnen erröten, 
Ich, der um ihre Rückkehr so oft 
Mit Tränen zum Himmel gebeten. 

Ich habe sie immer so liebgehabt,
Die lieben kleinen Französchen – 
Singen und springen sie noch wie sonst? 
Tragen noch weiße Höschen? 

Ich möchte sie gerne wiedersehn,
Doch fürcht ich die Persiflage, 
Von wegen des verwünschten Lieds, 
Von wegen der Blamage. 

Der Alfred de Musset, der Gassenbub', 
Der kommt an ihrer Spitze 
Vielleicht als Tambour, und trommelt mir vor 
All seine schlechten Witze.« 

So klagte der arme Vater Rhein,
Konnt sich nicht zufriedengeben. 
Ich sprach zu ihm manch tröstendes Wort, 
Um ihm das Herz zu heben: 

»O fürchte nicht, mein Vater Rhein,
Den spöttelnden Scherz der Franzosen; 
Sie sind die alten Franzosen nicht mehr, 
Auch tragen sie andere Hosen. 

Die Hosen sind rot und nicht mehr weiß,
Sie haben auch andere Knöpfe, 
Sie singen nicht mehr, sie springen nicht mehr, 
Sie senken nachdenklich die Köpfe. 

Sie philosophieren und sprechen jetzt
Von Kant, von Fichte und Hegel, 
Sie rauchen Tabak, sie trinken Bier, 
Und manche schieben auch Kegel. 

Sie werden Philister ganz wie wir,
Und treiben es endlich noch ärger; 
Sie sind keine Voltairianer mehr, 
Sie werden Hengstenberger. 

Der Alfred de Musset, das ist wahr,
Ist noch ein Gassenjunge; 
Doch fürchte nichts, wir fesseln ihm 
Die schändliche Spötterzunge. 

Und trommelt er dir einen schlechten Witz,
So pfeifen wir ihm einen schlimmern, 
Wir pfeifen ihm vor, was ihm passiert 
Bei schönen Frauenzimmern. 

Gib dich zufrieden, Vater Rhein,
Denk nicht an schlechte Lieder, 
Ein besseres Lied vernimmst du bald – 
Leb wohl, wir sehen uns wieder.«

Deutschlandlied 2.

Deutschlands Ehre...Deutschland über alles?
Von Walther von der Vogelweide * um 1170 (Geburtsort unbekannt).

1914 erschien die "Gedichtsammlung für Präparandenanstalten".  Die Herausgeber der Gedichtsammlung für die Präparanden (werdende Volksschullehrer) ließen ihrer Phantasie freien Lauf und betitelten ein Gedicht von Walter von der Vogelweide kurzerhand "Deutschland über alles".


Walter von der Vogelweide im
Codex Manesse.
Bild groß ansehen? Darauf klicken!

Im 12. Jahrhundert (als es natürlich noch kein "Deutschland" gab) hatte sich der alte Schmeichler Walter für "Deutsche Frauen" erwärmt. Überschriften zu seinen Liedern sind nicht überliefert. Wollte Walter von der Vogelweide wirklich "Deutschland über alles" preisen? Oder schrieb er nicht vielleicht einfach ein Minnelied für eine, die ihm "große Herzenspein" machte? Andererseits erinnern manche Verse durchaus an das Deutschlandlied Hoffmanns von Fallersleben ("Deutsche Zucht geht über alle. Von der Elbe bis zum Rhein") Lyrikheute bringt eine Übersetzung von Karl Simrock, der dem Lied die Überschrift "Deutschlands Ehre" gab. 

Deutschlands Ehre
Von Walther von der Vogelweide * um 1170 (Geburtsort unbekannt).

Heißt mich froh willkommen sein,
der euch Neues bringet das bin ich;
eitle Worte sind's allein,
die ihr noch vernahmt: jetzt fraget mich.
Wenn ihr Lohn gewähret
und den Sold nicht scheut,
will ich manches sagen, was die Herzen freut:
Seht, wie ihr mich würdig ehret.

Ich verkünde deutschen Fraun

solche Dinge, daß sie alle Welt
noch begier'ger wird zu schaun:
Dafür nehm ich weder Gut noch Geld.
Was wollt ich von den Süßen?
Sind sie doch zu hehr:
Drum bescheid ich mich und bitte sie nichts mehr
als daß sie mich freundlich grüßen.

Lande hab ich viel gesehn,

nach den Besten späht' ich allerwärts:
Übel möge mir geschehn,
wenn sich je bereden ließ mein Herz,
daß ihm wohlgefalle
fremder Lande Brauch:
Wenn ich lügen wollte, lohnte mir es auch?
Deutsche Zucht geht über alle.

Von der Elbe bis zum Rhein 

und zurück bis her an Ungerland,
da mögen wohl die Besten sein,
die ich irgend auf der Erden fand.
Weiß ich recht zu schauen
Schönheit, Huld und Zier,
Hilf mir Gott, so schwör ich, daß sie besser hier
sind als andrer Länder Frauen.

Züchtig ist der deutsche Mann,

deutsche Fraun sind engelschön und rein;
töricht wer sie schelten kann,
anders wahrlich mag es nimmer sein;
Zucht und reine Minne,
wer die sucht und liebt,
komm in unserer Land, wo es noch beide gibt;
lebt ich lange nur darinne !

Der ich lange dienstbar war,

Und hinfort noch will zu Diensten sein,
Der erlaß ich's nimmerdar;
Doch schafft sie mir so große Herzenspein:
Sie kann mir versehren
Herz und Sinn und Mut
Nun vergeb' ihr Gott, daß sie mir übel tut:
Dann wohl mag sie sich bekehren.


Deutschlandlied/Gedicht 1.
Deutschland - !
Von Julius Bab.
* 11. Dezember 1880 in Berlin; † 12. Februar 1955 in Roslyn Heights, New York

Und liebst du Deutschland? Frage ohne Sinn!
Kann ich mein Haar, mein Blut, mich selber lieben?
Ist Liebe nicht noch Wagnis und Gewinn?
Viel wahllos tiefer bin ich mir verschrieben
Und diesem Land, das ich, ich selber bin.

Brot seiner Felder baute mein Gebein,

Luft seiner Wälder wölbte meine Lungen,
So sog mein Hirn zu selbstbewußtem Sein
Aus seinen Städten sich Erinnerungen.
Was wär' ich, dürft ich nicht mehr Deutschland sein!

So bin ich Deutschland, daß ich tief mich schäme,

Zu prahlen selbstgerecht von seinem Wert.
So bin ich Deutschland, daß ich schwer mich gräme
Um seiner Schwächen. Welche Fiber wehrt'
Sich nicht in mir, wenn e i n e r dies mir nähme?

Ich steh' und fall' mit Deutschland, das ich bin.

Doch gottgesellt als Mensch den Menschen allen,
Hab' ich als Deutscher Brüder von Beginn.
O Deutschland, deine Menschenbrüder ballen
Sich dir zum Mord - ihr Mord wird dein Gewinn.

Blick denn noch einmal, eh die Würfel fallen,

Voll frommen Grams zum Vater a l l e r hin!
Dann gürte Herz und Busen dir metallen,
Und ohne Haß und doch mit festem Sinn
Soll dumpf der Schlachtruf deiner Notwehr schallen.

Ein inniges Liebesgedicht für Deutschland, geschrieben 1914 - zum Kriegsbeginn. Ein Gänsehaut-Gedicht  wenn man den Vers bedenkt: "Deutschland...welche Fiber wehrt' sich nicht in mir, wenn einer dies mir nähme?".
Julius Bab wurde "dies"(sein Deutschland) genommen. Aus einem unfassbar veränderten Deutschland musste Julius Bab 1938 emigrieren. Als Jude. 

Die Sammlung wird fortgesetzt!
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