CHRISTIAN MORGENSTERNS LYRIK: DIE SCHÖNSTEN GEDICHTE UND TEXTE
- Eine sehr persönliche Auswahl -
Galgenberg
Christian Morgenstern
*1871 München, gest. 1914 in Meran.
Aus: "Alle Galgenlieder" entstanden ca. 1907.
Blödem Volke unverständlich
treiben wir des Lebens Spiel.
Gerade das, was unabwendlich
fruchtet unserm Spott als Ziel.
Magst es Kinder-Rache nennen
an des Daseins tiefem Ernst;
wirst das Leben besser kennen,
wenn du uns verstehen lernst.
Danke Gerhard Oestel.
Der Werwolf
Aus "Alle Galgenlieder" entstanden ca. 1907.
Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind, und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: Bitte, beuge mich!
Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:
"Der Werwolf", - sprach der gute Mann,
"des Weswolfs"- Genitiv sodann,
"dem Wemwolf" - Dativ, wie man's nennt,
"den Wenwolf" - damit hat's ein End.'
Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen, bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!
Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch "Wer" gäb's nur im Singular.
Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.
Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind, und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: Bitte, beuge mich!
Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:
"Der Werwolf", - sprach der gute Mann,
"des Weswolfs"- Genitiv sodann,
"dem Wemwolf" - Dativ, wie man's nennt,
"den Wenwolf" - damit hat's ein End.'
Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen, bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!
Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch "Wer" gäb's nur im Singular.
Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.
Das Gebet
Aus: "Alle Galgenlieder"
Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Halb neun!
Halb zehn!
Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Halb neun!
Halb zehn!
Halb elf!
Halb zwölf!
Zwölf!
Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Sie falten die kleinen Zehlein,
die Rehlein.
gibt es nur hier (mit Original-Morgenstern-Fisch-Scherenschnitt! )
Morgenstern lieben ist so einfach, wie seine Gedichte wunderbar sind. Aber er hat auch eine andere Seite, die Nachdenkliche. Auch dieser Morgenstern läd ein, immer wieder entdeckt zu werden. Es lohnt sich, hier weiter zu scrollen...immer weiter...
Ein seltsamer Aphorismus:
Christian Morgenstern 1891
Die Menschenverachtung ist für den nachdenkenden Geist nur die erste Stufe zur Menschenliebe.
LESEN..ZUENDE LESEN...B I T T E !
Herbst
Aus "Stufen" (1907)
Ich habe diesen Herbst mit Übeltaten angefangen. Ich habe an zwei heißen Septembertagen fünf oder sechs Wespen getötet, die in mein Zimmer gekommen waren und mich beunruhigten. Das war ganz und gar gegen meine Gewohnheit und nur durch eine Unruhe und Unbeherrschtheit zu erklären, die unter dem Einfluß des Südwindes mich vielleicht ebenso wie die Wespen überkommen hatte.
Spätere Bemerkung:
Ich weiß noch, wie mich damals besonders die "Dummheit" der Tiere erregt hatte, die oft eine Stunde lang an der Zimmerdecke hin und her und auf und ab irrten, ohne den scheinbar so einfachen Weg durch die offene Balkontür wiederzufinden oder wiederfinden zu wollen. Übertragen wir diese meine Ungeduld und Unduldsamkeit auf Götter und Menschen, so hätten diese Götter wohl den ganzen Tag nichts weiter zu tun, als Menschen totzuschlagen.
Halb zwölf!
Zwölf!
Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Sie falten die kleinen Zehlein,
die Rehlein.
Wer hat's erfunden, den Satz "Selig lächelnd wie ein satter Säugling"? Christian Morgenstern! In dem Gedicht:
KORF ERFINDET
EINE ART VON WITZEN -
Korf erfindet eine Art von Witzen,
Die erst viele Stunden später wirken.
Jeder hört sie an mit langer Weile.
Doch als hätt' ein Zunder still geglommen,
Wird man nachts im Bette plötzlich munter,
Selig lächelnd wie ein satter Säugling.
GRUSELETT
Von Christian Morgenstern.
Speziell zu Bundestags-Wahl 2013?
Speziell zu Bundestags-Wahl 2013?
Der Flügelflagel gaustert
durchs Wiruwaruwolz,
die rote Fingur plaustert,
und grausig gutzt der Golz.
Aus: Alle Galgenlieder.
FISCHES NACHTGESANGgibt es nur hier (mit Original-Morgenstern-Fisch-Scherenschnitt! )
Morgenstern lieben ist so einfach, wie seine Gedichte wunderbar sind. Aber er hat auch eine andere Seite, die Nachdenkliche. Auch dieser Morgenstern läd ein, immer wieder entdeckt zu werden. Es lohnt sich, hier weiter zu scrollen...immer weiter...
Ein seltsamer Aphorismus:
Christian Morgenstern 1891
Die Menschenverachtung ist für den nachdenkenden Geist nur die erste Stufe zur Menschenliebe.
LESEN..ZUENDE LESEN...B I T T E !
Herbst
Aus "Stufen" (1907)
Ich habe diesen Herbst mit Übeltaten angefangen. Ich habe an zwei heißen Septembertagen fünf oder sechs Wespen getötet, die in mein Zimmer gekommen waren und mich beunruhigten. Das war ganz und gar gegen meine Gewohnheit und nur durch eine Unruhe und Unbeherrschtheit zu erklären, die unter dem Einfluß des Südwindes mich vielleicht ebenso wie die Wespen überkommen hatte.
Spätere Bemerkung:
Ich weiß noch, wie mich damals besonders die "Dummheit" der Tiere erregt hatte, die oft eine Stunde lang an der Zimmerdecke hin und her und auf und ab irrten, ohne den scheinbar so einfachen Weg durch die offene Balkontür wiederzufinden oder wiederfinden zu wollen. Übertragen wir diese meine Ungeduld und Unduldsamkeit auf Götter und Menschen, so hätten diese Götter wohl den ganzen Tag nichts weiter zu tun, als Menschen totzuschlagen.
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Aus "Stufen" 1907
In der Katze hast du Mißtrauen, Wollust und Egoismus, die drei Tugenden des Renaissance-Menschen nach Stendhal und anderen. Damit ist sie, ich möchte sagen, das konzentrierteste Tier. Der Hund ist dagegen gläubig, selbstlos und erotisch kulturlos. Unsere heutige Zivilisation nähert sich mehr der Stufe des Hundes. Das Christentum ist vornehmlich gegen die Katze gerichtet. Man darf nach dem allen in einigen Jahrhunderten den Menschen erwarten.
Die Selbstachtung einer Katze ist außerordentlich.
Die Reinlichkeit der Katze ist eine ganz andre, als die des Menschen. Der Mensch wäscht sich, kämmt sich, bürstet und klopft seine Kleider, er entledigt sich, mit einem Wort, seines Staubes, indem er ihn dem Wasser, der Luft, der Erde zurückgibt. Die Katze hingegen schleckt ihn mit unermüdlicher Zunge in sich auf, verleibt ihn sich ein, vertilgt ihn – aber im fruchtbarsten Sinne, indem sie ihn schlankweg in ihr organisches Leben mit hinein nimmt.
Du hast einen Großstadtwinter umsonst den Anblick einfacher, natürlicher Anmut ersehnt. Drehe dich um. Vielleicht sitzt hinter dir auf dem leeren Divan eine etwa einjährige Katze, die dich dann und wann besucht, um sich dort eine halbe Stunde umständlich zu putzen und dann eine zweite halbe Stunde voll tiefen Behagens zu schlummern, – und du siehst was du suchtest, die eingeborene Lieblichkeit unbewußter Natur.
Schnauz und Miez
Ri-ra-rumpelstiez,
wo ist der Schnauz, Wo ist die Miez?
Der Schnauz, der liegt am Ofen
und leckt sich seine Pfoten.
Die Miez, die sitzt am Fenster
und wäscht sich ihren Spenzer.
Rumpeldipumpel, schnaufeschnauf,
da kommt die Frau die Treppe 'rauf.
Was bringt die Frau dem Kätzchen?
Einen Knäul, einen Knäul, mein Schätzchen,
einen Knäul aus grauem Wollenflaus,
der aussieht wie eine kleine Maus.
Was bringt die Frau dem Hündchen?
Ein Halsband, mein Kindchen,
ein Halsband von besondrer Art,
auf welchem steht: Schnauz Schnauzebart.
Ri-ra-rumpeldidaus,
und damit ist die Geschichte aus.
Nicht zu toppen:
Ich habe heute ein paar Blumen für dich nicht gepflückt, um dir ihr – Leben mitzubringen.
Aus "Stufen" 1906
Schnauz und Miez
Ri-ra-rumpelstiez,
wo ist der Schnauz, Wo ist die Miez?
Der Schnauz, der liegt am Ofen
und leckt sich seine Pfoten.
Die Miez, die sitzt am Fenster
und wäscht sich ihren Spenzer.
Rumpeldipumpel, schnaufeschnauf,
da kommt die Frau die Treppe 'rauf.
Was bringt die Frau dem Kätzchen?
Einen Knäul, einen Knäul, mein Schätzchen,
einen Knäul aus grauem Wollenflaus,
der aussieht wie eine kleine Maus.
Was bringt die Frau dem Hündchen?
Ein Halsband, mein Kindchen,
ein Halsband von besondrer Art,
auf welchem steht: Schnauz Schnauzebart.
Ri-ra-rumpeldidaus,
und damit ist die Geschichte aus.
Nicht zu toppen:
Ich habe heute ein paar Blumen für dich nicht gepflückt, um dir ihr – Leben mitzubringen.
Aus "Stufen" 1906
Nicht im lärmenden Kampf
der Tage, auch nicht im Sturm einer großen Zeit, aber nach Jahrtausenden stiller Arbeit, nach Äonen ewig fortwirkenden Webens – dann werden die Menschen gut werden.
O, wer diesen Glauben, der mir Gewißheit ist, in allen Augenblicken seines Strebens im Herzen lebendig fühlte, er würde glücklich sein.
Aus "Stufen" 1891
MÖWENLIED
Die Möwen sehen alle aus,
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen.
Ich schieße keine Möwe tot,
ich laß sie lieber leben und
füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.
O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.
Berlin, 6. Mai 1895
Hochverehrte gnädige Frau!
Der Augenblick, da ich diese Zeilen schreibe, ist einer der feierlichsten und bewegtesten meines Lebens.
Ich, ein junger Mensch von 24 Jahren, wage es, meine erste Dichtung in die Hände der Mutter zu legen, der ehrwürdigen Mutter, die der Welt einen so großen Sohn geschenkt hat und mir im besonderen einen Befreier, ein Vorbild, einen Auferwecker zu den höchsten Kämpfen des Lebens. Jener Geist sieghafter, stolzer Lebensverklärung, jenes Königsgefühl über allen Dingen, von denen der geliebte Einsame so oft gesprochen hat, weht, glaube ich, auch durch die vor Ihnen liegenden Gedichte, welche ich deshalb humoristisch im verfeinertsten Sinne ihrer Mehrzahl nach mir zu nennen erlaube.
Mein Buch ist dem Geiste Ihres edlen unglücklichen Sohnes in tiefer Dankbarkeit und Liebe gewidmet.
Ich küsse, tiefergriffen, ehrwürdige Frau, Ihre Hände und bin
in Verehrung und Dankbarkeit
Ihr
Christian Morgenstern
Aus "Stufen" 1897
Dieser Norden! Da wacht man in der verheißendsten Stimmung auf. Griesgrämig, grau, teilnahmslos ruhen die großen Augen der Fenster auf dir, als wollten sie sagen: wozu regst du dich so auf? Was willst du mit deinen törichten Idealen? Alles ist eitel.
Denkmalswunsch
Setze mir ein Denkmal, cher,
ganz aus Zucker, tief im Meer.
Ein Süßwassersee, zwar kurz,
werd ich dann nach meinem Sturz;
doch so lang, daß Fische, hundert,
nehmen einen Schluck verwundert. –
Diese ißt in Hamburg und
Bremen dann des Menschen Mund. –
Wiederum in eure Kreise
komm ich so auf gute Weise,
während, werd ich Stein und Erz,
nur ein Vogel seinen Sterz
oder gar ein Mensch von Wert
seinen Witz auf mich entleert.
Zwei Kirchturmuhren schlagen hintereinander,
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.
Der Erich rechts und links der Franz
und mittendrin der freche Hans.
Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber, da schneit es, hu!
Sie rücken zusammen dicht an dicht,
so warm wie Hans hat's niemand nicht.
Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.
Aus "Stufen"
von Christian Morgenstern
Nicht zu verwechseln mit dem Produkt aus Hamburg!
der Tage, auch nicht im Sturm einer großen Zeit, aber nach Jahrtausenden stiller Arbeit, nach Äonen ewig fortwirkenden Webens – dann werden die Menschen gut werden.
O, wer diesen Glauben, der mir Gewißheit ist, in allen Augenblicken seines Strebens im Herzen lebendig fühlte, er würde glücklich sein.
Aus "Stufen" 1891
MÖWENLIED
Die Möwen sehen alle aus,
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen.
Ich schieße keine Möwe tot,
ich laß sie lieber leben und
füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.
O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.
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Foto: C.S. Was für ein wunderbares Baumgedicht! Und am Ende wird klar: Es ist die Geschichte einer Nacht voller Liebe: |
Die Weide am Bache
Weißt du noch, Phanta,
wie wir jüngst
eine Nyade,
eine der tausend
Göttinnen der Nacht,
bei ihrem Abendwerk
belauschten?
Einer Weide
half sie, sorglich
wie eine Mutter,
ins Nachthemd,
das sie zuvor
aus den Nebel-Linnen des Bachs
kunstvoll gefertigt.
Ungeschickt
streckte der Baum die Arme aus,
hineinzukriechen
ins Schlafgewand.
Da warf es die Nymphe
lächelnd ihm über den Kopf,
zog es herab,
strich es ihm glatt an den Leib,
knöpfte an Hals und Händen
es ordentlich zu
und eilte weiter.
Die Weide aber,
in ihrem Nachtkleid,
sah ganz stolz
empor zu Luna.
Und Luna lächelte,
und der Bach murmelte,
und wir beide,
wir fanden wieder einmal
die Welt sehr lustig.
An seinem 24. Geburtstage schickte Morgenstern seine Gedichtsammlung "In Phanta's Schloß" an die Mutter Friedrich Nietzsches. Dazu schrieb er ihr diesen wunderbaren Brief.
Berlin, 6. Mai 1895
Hochverehrte gnädige Frau!
Der Augenblick, da ich diese Zeilen schreibe, ist einer der feierlichsten und bewegtesten meines Lebens.
Ich, ein junger Mensch von 24 Jahren, wage es, meine erste Dichtung in die Hände der Mutter zu legen, der ehrwürdigen Mutter, die der Welt einen so großen Sohn geschenkt hat und mir im besonderen einen Befreier, ein Vorbild, einen Auferwecker zu den höchsten Kämpfen des Lebens. Jener Geist sieghafter, stolzer Lebensverklärung, jenes Königsgefühl über allen Dingen, von denen der geliebte Einsame so oft gesprochen hat, weht, glaube ich, auch durch die vor Ihnen liegenden Gedichte, welche ich deshalb humoristisch im verfeinertsten Sinne ihrer Mehrzahl nach mir zu nennen erlaube.
Mein Buch ist dem Geiste Ihres edlen unglücklichen Sohnes in tiefer Dankbarkeit und Liebe gewidmet.
Ich küsse, tiefergriffen, ehrwürdige Frau, Ihre Hände und bin
in Verehrung und Dankbarkeit
Ihr
Christian Morgenstern
Das Butterbrotpapier
Ein Butterbrotpapier im Wald, –
da es beschneit wird, fühlt sich kalt ...
In seiner Angst, wiewohl es niean Denken vorher irgendwiegedacht, natürlich, als ein Dingaus Lumpen usw., fing,
aus Angst, so sagte ich, fing anzu denken, fing, hob an, begann,
zu denken, denkt euch, was das heißt,bekam (aus Angst, so sagt ich) – Geist,
und zwar, versteht sich, nicht bloß sovom Himmel droben irgendwo,
vielmehr infolge einer ganzexakt entstandnen Hirnsubstanz –
die aus Holz, Eiweiß, Mehl und Schmer,(durch Angst) mit Überspringen dersonst üblichen Weltalter, anihm Boden und Gefäß gewann –
[(mit Überspringung) in und anihm Boden und Gefäß gewann].
Mit Hilfe dieser Hilfe nunentschloß sich das Papier zum Tun, –
zum Leben, zum – gleichviel, es fingzu gehn an – wie ein Schmetterling ...
zu kriechen erst, zu fliegen drauf,bis übers Unterholz hinauf,
dann über die Chaussee und querund kreuz und links und hin und her –
wie eben solch ein Tier zur Welt(je nach dem Wind) (und sonst) sich stellt.
Doch, Freunde! werdet bleich gleich mir! –Ein Vogel, dick und ganz voll Gier,
erblickts (wir sind im Januar ...) –und schickt sich an, mit Haut und Haar –
und schickt sich an, mit Haar und Haut –(wer mag da endigen!) (mir graut) –
(Bedenkt, was alles nötig war!) –und schickt sich an, mit Haut und Haar – –
Ein Butterbrotpapier im Waldgewinnt – aus Angst – Naturgestalt ...
Genug!! Der wilde Specht verschlucktdas unersetzliche Produkt ...
Dieser Norden! Da wacht man in der verheißendsten Stimmung auf. Griesgrämig, grau, teilnahmslos ruhen die großen Augen der Fenster auf dir, als wollten sie sagen: wozu regst du dich so auf? Was willst du mit deinen törichten Idealen? Alles ist eitel.
Wer vom Ziel nicht weiß,
kann den Weg nicht haben,
wird im selben Kreis
all sein Leben traben;
kommt am Ende hin,
wo er hergerückt,
hat der Menge Sinn
nur noch mehr zerstückt.
Wer vom Ziel nichts kennt,
kann's doch heut erfahren;
wenn es ihn nur brennt
nach dem Göttlich-Wahren;
wenn in Eitelkeit
er nicht ganz versunken
und vom Wein der Zeit
nicht bis oben trunken.
Denn zu fragen ist
nach den stillen Dingen,
und zu wagen ist,
will man Licht erringen:
wer nicht suchen kann,
wie nur je ein Freier,
bleibt im Trugesbann
siebenfacher Schleier.
Wer vom Ziel nichts kennt,
kann's doch heut erfahren;
wenn es ihn nur brennt
nach dem Göttlich-Wahren;
wenn in Eitelkeit
er nicht ganz versunken
und vom Wein der Zeit
nicht bis oben trunken.
Denn zu fragen ist
nach den stillen Dingen,
und zu wagen ist,
will man Licht erringen:
wer nicht suchen kann,
wie nur je ein Freier,
bleibt im Trugesbann
siebenfach
er Schleier.
Setze mir ein Denkmal, cher,
ganz aus Zucker, tief im Meer.
Ein Süßwassersee, zwar kurz,
werd ich dann nach meinem Sturz;
doch so lang, daß Fische, hundert,
nehmen einen Schluck verwundert. –
Diese ißt in Hamburg und
Bremen dann des Menschen Mund. –
Wiederum in eure Kreise
komm ich so auf gute Weise,
während, werd ich Stein und Erz,
nur ein Vogel seinen Sterz
oder gar ein Mensch von Wert
seinen Witz auf mich entleert.
Die zwei Turmuhren
C. M. "politisch.."
Zwei Kirchturmuhren schlagen hintereinander,
weil sie sonst widereinander schlagen müßten.
Sie vertragen sich wie zwei wahre Christen.
Es wäre dementsprechend zu fragen:
warum nicht auch die Völker
hintereinander statt widereinander schlagen.
Sie könnten doch wirklich ihren Zorn
auslassen, das eine hinten, das andre vorn.
Aber freilich: Kleine Beispiele von Vernunft
änderten noch nie etwas am großen Narreteispiele derZunft.
Die drei Spatzen
In einem leeren Haselstrauch,da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.
Der Erich rechts und links der Franz
und mittendrin der freche Hans.
Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber, da schneit es, hu!
Sie rücken zusammen dicht an dicht,
so warm wie Hans hat's niemand nicht.
Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.
Aus "Stufen"
("Eine Entwicklung aus Aphorismen und Tagebuchnotizen")
Mir ist mein ganzes Leben zu Mut, als ginge mein Weg oft an der Hecke des Paradieses vorbei. Dann streift mich warmer Hauch, dann mein' ich, Rosen zu sehn und zu atmen, ein süßer Ton rührt mich zu Tränen, auf der Stirn liegt es mir wie eine liebe, friedegebende Hand – sekundenlang. So streife ich oft vorbei an der Hecke des Paradieses ...1895
Glück ist wie Blütenduft,
Mir ist mein ganzes Leben zu Mut, als ginge mein Weg oft an der Hecke des Paradieses vorbei. Dann streift mich warmer Hauch, dann mein' ich, Rosen zu sehn und zu atmen, ein süßer Ton rührt mich zu Tränen, auf der Stirn liegt es mir wie eine liebe, friedegebende Hand – sekundenlang. So streife ich oft vorbei an der Hecke des Paradieses ...1895
Es ist Nacht,
und mein Herz kommt zu dir,
hält's nicht aus,
hält's nicht aus mehr bei mir.
Legt sich dir auf die Brust,
wie ein Stein,
sinkt hinein,
zu dem deinen hinein.
Dort erst,
dort erst kommt es zur Ruh,
liegt am Grund
seines ewigen Du.
Ein Haiku von Christian Morgenstern?
Zeit und Ewigkeit
Auf den Schwingen des Windes
die Stimme des Bachs..
Der Wellen Gespräch
auf dem Atem der Nacht..
Mein kleiner Wecker tickt dazu..
Westöstlich
Als er dies v. Korf erzählt,
fühlt sich dieser leicht gequält;
denn für ihn ist Selbstverstehung,
daß man mit der Erdumdrehung
schlafen müsse, mit den Pfosten
seines Körpers strikt nach Osten.
Und so scherzt er kaustisch-köstlich:
Nein, mein Diwan bleibt - westöstlich!
Bitte unbedingt ganz lesen. Der Schluss ist immer gut zu verwenden.
Der Gaul
Es läutet beim Professor Stein.
Die Köchin rupft die Hühner.
Die Minna geht: Wer kann das sein? -
Ein Gaul steht vor der Türe.
Die Minna wirft die Türe zu.
Die Köchin kommt: Was gibt's denn?
Das Fräulein kommt im Morgenschuh.
Es kommt die ganze Familie.
"Ich bin, verzeihn Sie", spricht der Gaul,
"der Gaul vom Tischler Bartels.
Ich brachte Ihnen dazumal
die Tür- und Fensterrahmen!"
Die vierzehn Leute samt dem Mops,
sie stehn, als ob sie träumten.
Das kleinste Kind tut einen Hops,
die andern stehn wie Bäume.
Der Gaul, da keiner ihn versteht,
schnalzt bloß mal mit der Zunge,
dann kehrt er still sich ab und geht
die Treppe wieder hinunter.
Die dreizehn schaun auf ihren Herrn,
ob er nicht sprechen möchte
"Das war", spricht der Professor Stein
"ein unerhörtes Erlebnis!... "
Was war's?
diese Überschrift ist frei erfunden
der dir vorüberfliegt...
Du ahnest dunkel Ungeheures,
dem keine Worte dienen -
schließest die Augen,
wirfst das Haupt zurück - -
und, ach!
vorüber ist's.
Du ahnest dunkel Ungeheures,
dem keine Worte dienen -
schließest die Augen,
wirfst das Haupt zurück - -
und, ach!
vorüber ist's.
Das ästhetische Wiesel
Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel
inmitten Bachgeriesel.
Wißt ihr,
weshalb?
Das Mondkalb
verriet es mir
im stillen:
Das raffinier-
te Tier
tats um des Reimes willen.
Das Auge der Maus
Das rote Auge einer Maus
lugt aus dem Loch heraus.
Es funkelt durch die Dämmerung
Das Herz gerät in Hämmerung.
„Das Herz von wem?“ Das Herz von mir!
lch sitze nämlich vor dem Tier.
O Seele, denk an diese Maus !
Alle Dinge sind voll Graus.
Die unmögliche Tatsache
*1871 München, gest. 1914 in Meran
Palmström. etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge
überfahren.
„Wie war“ (spricht er, spricht er sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
„möglich, wie dies Unglück, ia -:
daß es überhaupt geschah'?
Ist die Staatskunst anzuklagen
in bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?
Oder war vielmehr verboten,
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln, - kurz und schlicht
Durfte hier der Kutscher nicht- ?“
Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!
Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
„Weil“, so schließt er messerscharf,
„nicht sein k a n n, was nicht sein d a r f.“
Nicht zu verwechseln mit dem Produkt aus Hamburg!
Die Zeit
Es gibt ein sehr probates Mittel,
die Zeit zu halten am Schlawittel:
Man nimmt die Taschenuhr zur Hand
und folgt dem Zeiger unverwandt.
Sie geht so langsam dann, so brav
als wie ein wohlgezogen Schaf,
setzt Fuß vor Fuß so voll Manier
als wie ein Fräulein von Saint-Cyr.
Jedoch verträumst du dich ein Weilchen,
so rückt das züchtigliche Veilchen
mit Beinen wie der Vogel Strauß
und heimlich wie ein Puma aus.
Und wieder siehst du auf sie nieder;
ha, Elende! – Doch was ist das?
Unschuldig lächelnd macht sie wieder
den zierlichsten Sekunden-Pas.
Die Schildkröte
von Christian Morgenstern
Gelesen von Gerd Fröbe
Der Lattenzaun
*1871 München, gest. 1914 in Meran
Es war einmal ein Lattenzaun,
mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.
Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da -
und nahm den Zwischenraum heraus
und baute draus ein großes Haus.
Der Zaun indessen stand ganz dumm,
mit Latten ohne was herum.
Ein Anblick gräßlich und gemein.
Drum zog ihn der Senat auch ein.
Der Architekt jedoch entfloh
nach Afri- od- Ameriko.
Die Trichter
Zwei Trichter wandeln durch die Nacht.
Durch ihres Rumpfs verengten Schacht
fließt weißes Mondlicht
still und heiter
auf ihren
Waldweg
u. s.
w.
Vice versa
Ein Hase sitzt auf einer Wiese,
des Glaubens, niemand sähe diese.
Doch, im Besitze eines Zeißes,
betrachtet voll gehaltnen Fleißes
vom vis-a-vis gelegnen Berg
ein Mensch den kleinen Löffelzwerg.
Ihn aber blickt hinwiederum
ein Gott von fern an, mild und stumm.
Die Brille
Korf liest gerne schnell und viel;
darum widert ihn das Spiel
all des zwölfmal unerbetnen
Ausgewalzten, Breitgetretnen.
Meistes ist in sechs bis acht
Wörtern völlig abgemacht,
und in ebensoviel Sätzen
läßt sich Bandwurmweisheit schwätzen.
Es erfindet drum sein Geist
etwas, was ihn dem entreißt:
Brillen. deren Energieen
ihm den Text - zusammenziehen!
Beispielsweise dies Gedicht
läse, so bebrillt, man - nicht
Dreiunddreißig seinesgleichen
gäben erst - Ein - - Fragezeichen!!
Die beiden Esel
Ein finstrer Esel sprach einmal
zu seinem ehlichen Gemahl:
"Ich bin so dumm, du bist so dumm,
wir wollen sterben gehen' kumm!
Doch wie es kommt so öfter eben:
die beiden blieben fröhlich leben'
The Two Donkeys
A brooding donkey one day said
to his devoted lawful mate:
"I’m such an ass, you’re such an ass,
wo ought to kill ourselves, my lass."
But as it goes so often in life,
he’s still around, and so’s his wife.
Übersetzt von Max Knight
Der Hecht
Ein Hecht, vom heiligen Anton
bekehrt, beschloß, samt Frau und Sohn,
am vegetarischen Gedanken
moralisch sich emporzuranken.
Er aß seit jenem nur noch dies:
Seegras, Seerose und Seegrieß.
Doch Grieß, Gras, Rose floß, o Graus,
entsetzlich wieder hinten aus.
Der ganze Teich ward angesteckt.
Fünfhundert Fische sind verreckt.
Doch Sankt Anton, gerufen eilig,
sprach nichts als "Heilig! heilig! heilig!"
*
WIRD FORTGESETZT